Enrichment-Kurs der Main-Rhön-Akademie zu Gast am FGH
Das aktuelle Schuljahr geht langsam dem Ende entgegen. Wie in den Vorjahren auch, waren einige Schülerinnen und Schüler anderer Schulen im Rahmen der Main-Rhön-Akademie des Bezirks Unterfranken zu Gast am FGH. Hierbei handelt es sich um ein zusätzliches Lernangebot für besonders begabte und leistungswillige Schüler. Die Fachschaft Geschichte am FGH hat für dieses Programm einen Kurs zum Thema „Experimentelle Archäologie“ angeboten. Grundidee dieses Kurses ist es, die Verbindung von Theorie und Praxis auf ausgesuchte Problemstellungen aus der Vergangenheit anzuwenden, um hierdurch wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Schülerinnen und Schüler verschiedener Gymnasien aus dem Raum Schweinfurt, Bad Kissingen und Bad Neustadt u.a. meldeten sich zu diesem Kurs. Die Seminarbausteine fanden/finden über das ganze Schuljahr verteilt statt.
Nach einer kurzen theoretischen Einführung – hierbei wurde die Bedeutung des Feuers für die menschliche Entwicklung ebenso angesprochen wie theoretische Grundlagen aus der Chemie und Physik – konnten die SchülerInnen nun endlich in „medias res“ gehen. Konkret bedeutete dies: Feuer machen wie ein Steinzeitmensch. Vorab wurde natürlich eine Sicherheitseinweisung durchgeführt, Schutzhandschuhe und -brillen verteilt. Nur mit Feuerstein, Pyrit oder Markasit (Gesteinsarten mit sehr hohem Eisenanteil), und Zunderschwamm/Zunderspäne ausgestattet sollten die jungen Forscher nun Feuer machen. Was auf den ersten Blick einfach aussieht, stellte sich schnell als sehr schwierig heraus. Die Fähigkeit, Feuer zu machen, war in der Steinzeit und lange darüber hinaus eine überlebenswichtige Notwendigkeit für den Menschen.



Bilder des Enrichment-Kurses
Im Anschluss konnten die Kursteilnehmer noch eine andere Technik ausprobieren. Das sog. Feuerbohren – d.h. durch schnelles Aneinanderreiben von Holzteilen soll so viel Reibungswärme erzeugt werden, dass im wahrsten Sinne des Wortes der Funke überspringt – ist die zweite Art des Feuermachens, die ebenfalls durch archäologische Funde gut belegt ist. Aber selbst mit entsprechenden Nachbauten eines Feuerbohr-Sets konnte kein Seminarteilnehmer erfolgreich Feuer entzünden.
Nur unter zur Hilfenahme von modernen Werkzeugen (= Feuerstahl mit hohem Magnesium-Anteil) gelang es schließlich doch allen, ein kleines Feuer zu entfachen. Dieses Experiment lief natürlich – wie erwähnt – unter hohen Sicherheitsauflagen ab (= feuerfeste Unterlage, Schutzausrüstung, bereitgestellter Feuerlöscher etc.).
Im Anschluss daran widmeten sich die Teilnehmer der Herstellung von Steinwerkzeugen. Auch diese Fertigkeit stellt eine wesentliche Voraussetzung in der menschlichen Entwicklung dar. Wie weit wäre der Mensch denn gekommen, ohne immer weiter verbesserte Werkzeuge? Angefangen hat es vermutlich mit der Verwendung von Stöcken und Steinen, die frühe Vorfahren des modernen Menschen einfach in der Natur fanden. Das erste ausgearbeitete Werkzeug, das zudem noch Jahrtausende lang in Gebrauch blieb, war der Faustkeil aus Stein. In der Technik des Steinschlagens zur Perfektion zu kommen, ist noch um einiges schwieriger als die Kunst des Feuermachens zu beherrschen. Auch hier wurden wieder zunächst theoretische Grundlagen aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen erklärt, notwendige Techniken anschaulich besprochen und vorgeführt, Sicherheitshinweise nachdrücklich definiert. Zur Verdeutlichung, wie ein Endprodukt aussehen könnte, wurden Exponate aus einer Ausstellung der Fachschaft Geschichte zur Verfügung gestellt.
Neben der Technik des Steinschlagens wurde den Schüler auch das Schleifen von Steinen nähergebracht. Konkret bedeutet dies, mit einem härteren Stein und Wasser einen weicheren Stein in mühseliger Arbeit in Form zu bringen. Die Teilnehmer in diesem Schuljahr waren auch an weiteren Techniken mehr als interessiert. Die SchülerInnen versuchten sich auch an der Handwerkskunst des Flechtens, ebenso aus Naturmaterialien Musikinstrumente herzustellen (= Flöten aus Holunderzweigen etc.). Zudem stellten die Teilnehmer auch Gefäße und Öllampen aus Lehm/Ton her, in Anlehnung an die in unserer Region verbreiteten Schnurbandkeramik. Wenige Schüler versuchten sich indes an der schwierigen Herausforderung, einen Reflexbogen aus einem naturbelassenem Stück Holz (= Weißdorn bzw. Haselnuss) zu schnitzen.



Bilder des Enrichment-Kurses
Wie gesagt, die Kunstfertigkeit, Werkzeuge, Jagdwaffen und Alltagsgegenstände aus Materialien herzustellen, die in der freien Natur zu finden sind, und dies ohne Hilfe moderner Maschinen und Werkstoffe, ist eine große Herausforderung. Umso mehr lernt der moderne Mensch in einem solchen Kurs, die Leistungen seiner – vermeintlich – unterentwickelten Vorfahren zu würdigen. Auch dies ist ein wesentliches Ziel dieses Kursangebots.
Bei anderer Gelegenheit konnten die Teilnehmer ausprobieren, wie schwierig sich die Jagd in Alt- und Jungsteinzeit gestaltet haben muss. Natürlich wurde auch hier unter Einhaltung von Sicherheitsauflagen gearbeitet. Und auch bei dieser Lerneinheit stand zunächst ein theoretischer Teil im Vordergrund. Grundlagen der Aerodynamik, der menschlichen Anatomie etc. wurden in den Blick genommen, bevor es dann nach draußen auf einen abgegrenzten Sportplatz ging. Zur Verfügung standen hier dann originalgetreue Nachbauten von Speeren und Wurfpfeilen, allerdings ohne gefährliche Spitzen. Diese wurden anhand archäologischer Funde authentisch rekonstruiert. Auch hier stellten die Schüler fest, wie schwer es gewesen sein muss, mit diesen einfachen Mitteln, solche Werkzeuge herzustellen und große Distanzen zu überwinden und dann auch noch Nahrung zu erlegen, ohne dabei selbst in Gefahr zu geraten.
Ein weiterer gewinnbringender Baustein im Rahmen des Seminarangebots war ein Online-Workshop mit einer professionellen Archäologin. Frau Maren Lage aus Berlin konnte im Rahmen des Programms „Archäologen zu Gast“ für einen interaktiven Gastvortrag gewonnen werden. Hierbei gewährte Lage nicht nur tiefe Einblicke in die Tätigkeiten einer professionellen Archäologin, sondern brachte den Teilnehmenden auch weitreichende wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Entwicklung unserer Vorfahren näher, die weit über den Rahmen hinausgingen, die im gesamten Fachspektrum des Gymnasiums abgedeckt werden können. Die hohe Konzentration der Schüler und die intensive Beteiligung belegten hierbei, wie spannend und interessant dieser Online-Workshop gewesen ist.
Als ein nächstes Highlight kann der Besuch des Bandkeramikmuseums in Schwanfeld erwähnt werden. Hierzu findet sich aber ein eigener Artikel.
Zum krönenden Abschluss des Seminarprogramms ist ein zweitägiger Workshop zum Thema Feuerstellen in der Jungsteinzeit geplant. Auch hier wird es reichlich Gelegenheit geben, Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes zu „(be-)greifen“.
OStR Dr. B. Schlereth,
Fachschaftsleiter Geschichte am FGH und Leiter des genannten Enrichment-Kurses